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O Ton von Zrinko Ogresta
Frage 1:
- Der Film «Hier» ist der erste kroatische
Film, der nach der Selbstständigkeit des Staates in der deutschen
Kinodistribution laufen wird. Glauben sie, dass ein kleiner kroatischer
Film die Sensibilität des deutschen Kinopublikums treffen
kann?
Take 1 (Ogresta – «Hier» in
der deutschen Kinodistribution):
- Auf jeden Fall glaube ich, dass der Film als Werk korrespondieren wird
mit denen, die ihn anschauen werden, auch wenn die Rede ist von einem Film,
der «Hier» heißt, und auf den ersten Blick Inhalte problematisiert,
die an unser hier gebunden sind, also an mein kroatisches hier. Dennoch
sublimiert er auf eine Art und Weise Schicksale, die ebenso manch anderen
Kreisen immanent sind, so dass sich in diesem kroatischen hier, hoffe ich,
auch die deutschen Zuschauer erkennen werden. Das bestätigt mir auch
in gewisser Weise die Resonanz des Films auf vielen internationalen Festivals,
auf denen er erkannt wurde. In diesem Sinne habe ich also keine Angst,
dass der Film eventuell nicht mit den deutschen Zuschauern korrespondieren
wird. Das, was irgendwie das Schicksal dieses kroatischen Films ist sowie
auch einer Reihe weiterer europäischer Filme, ist die Möglichkeit,
dass sie verurteilt sein werden auf ein sehr schmales, elitäres Publikum,
auf die Neugierigen. Aber wir sind Zeugen davon, wie, der europäische
Film nahezu verurteilt ist auf Kinosäle und auf ein Publikum in den
Zahlen und den Ausmaßen, dass wir unsere ganze Arbeit fast als «professionellen
Kino-Amateurismus» bezeichnen könnten.
Frage 2:
- Sie sind Mitglied der Europäischen Filmakademie.
Sehen sie vielleicht in dieser Organisation eine Möglichkeit,
dass die Kinematographien der kleineren Länder im gesamten
europäischen Rahmen besser vertreten werden?
Take 2 (Ogresta – Europäische Filmakademie):
- Das ist absolut eine Möglichkeit, aber erst in dem Moment, wenn es
dort mehr von uns aus Kroatien gibt. Jetzt sind wir nur einige und wir haben
nicht die Kraft, die notwendig ist, um sozusagen die Behandlung des kroatischen
Films in Europa zu verbessern. Schon mit meinen ersten Erfahrungen als Mitglied
der Europäischen Filmakademie habe ich ein Bild davon gewonnen, dass
die Rede ist von einer Organisation, die wirklich gut organisiert ist, aber
einer Organisation, in der die Gesetze des Stärkeren herrschen, so dass
es für mich ungemein interessant war, die diesjährigen Kandidaten
für den Europäischen Filmpreis zu sehen. Viele dieser Filme habe
ich gesehen und ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die europäischen
Kinematographien, die eine größere finanzielle Macht besitzen
und die schon von sich allein – hinter ihnen stehen größere
Länder - einfach doch die Möglichkeit haben, das Erscheinen dieser
Filme in die schmalen Kreise zu lobbyieren, aus denen die Nominierten gewählt
werden. Im Unterschied zu einigen anderen, kleineren Ländern, wo das
schier unmöglich ist. Einem kleinen Land muss also wirklich ein richtiges
Meisterwerk widerfahren, damit es sich in einem so schmalen Filmklub vorfindet,
besonders unter den Nominierten.
Frage 3:
- Der Film «Hier» wurde ausgezeichnet
in Karlovy Vary und auf einigen anderen Festivalen und eingeladen
auf nahezu alle europäischen und auch auf viele weltweite
Festivals. Der Film «Die Zeugen» von Vinko Brešan
ist präsentiert und ausgezeichnet worden im Wettbewerb der
Berlinale, noch einige kroatische Filme waren ebenfalls 2004 auf
A-Festivale weltweit eingeladen, «Eine wundervolle Nacht
in Split» von Arsen Ostojić ist als bester Debütfilm
von der Europäischen Filmakademie nominiert worden.Kann man
im Hinblick auf das vorhin Gesagte doch von einem eigenartigen
europäischen Aufstieg des kroatischen Films sprechen?
Take 3 (Ogresta – Europäische Filmauszeichnungen):
- Zunächst muss ich betonen – vielleicht ist das eine subjektive
Ansicht, auch wenn ich das nicht sagen würde - dass in den letzten zwei
Jahren in der kroatischen Kinematographie wenigstens drei sehr gute Filme
entstanden sind. Diese drei Filme haben einfach den Weg gefunden zu einigen
angeseherenen oder den angesehensten europäischen Filmfestivals und
in den Wettbewerben, in denen alle drei Filme vertreten waren, erhielten
sie sehr gute Resonanzen und wurden von der Jury am häufigsten gut beurteilt.
Ist aber die Rede von Dingen wie den Spielereien um den Europäischen
Filmpreis ist die Sache schon komplizierter. So unterrichten auch die Erfahrungen
von Vinko Brešan und mir von der Tatsache, dass unsere Filme, um es
so zu sagen, auf verschiedenen Festivalen einige Male gewonnen haben, eine
Reihe von Filmen, die später immerhin in den Kreis der Nominierten der
Filmakademie in diesem Jahr gelangten. Und gerade hierin besteht, unter Anführungsstrichen,
die Tragödie der kleinen Länder beziehungsweise ihrer Kinematographien,
die nicht ihre Leute und ihre Lobbys haben in den großen Institutionen,
wie es zum Beispiel die Europäische Filmakademie ist. Also ist es an
uns, diese lobbyistischen Geschäfte auch in den europäischen Filmverhältnissen
zu erlernen, so dass eines Tages, wenn wir ein wenig mehr in dieser Vereinigung
sein werden ( und ich sehe die Tendenz der Europäischen Filmakademie,
ihre Mitgliedschaft zu erhöhen – kürzlich haben noch einige
kroatische Schaffende Einladungen erhalten), hoffe ich, wir mit der Zeit
einen gewissen Einfluss auch in dieser Körperschaft haben werden.
Frage 4:
- Und um am Ende zum Film «Hier» zurückzukommen,
der in erster Linie Anlass unseres Gesprächs ist. Sie haben
vor vier Jahren begonnen, ihn vorzubereiten. Nach der Vorbereitung
folgte das Drehen und darauf nun schon das zweite Jahr des Festivallebens
und der Promotion. Wie hat sich durch diese Zeit hindurch das kroatische
hier verändert, stimmt es mit der Zeit überein, als sie
mit den Filmvorbereitungen angefangen haben?
Take 4 (Ogresta – Kroatisches hier Anfang
2005):
- Es nähert sich das vierte Jahr seit dem die Idee für den Film
geboren wurde. Das, was außergewöhnlich wichtig ist für den
Filmschaffenden in Europa und besonders, ich sage es noch mal, in diesen
Ländern, wo Filme langsamer und seltener geschaffen werden als anderswo,
ist, dass der Regisseur vorhersehen muss, ob der in einem oder in zwei Jahren
zu drehende Inhalt immer noch relevant sein wird. Das heißt, wir sind
in gewisser Weise Propheten und müssen einfach das Gehör haben
für das, was in zwei Jahren aktuelle und reizvolle Themen sein werde.
Demnach wählen wir alle solche Inhalte aus, die in unserer Mitte von
dauerhafterem Wert sind, die nicht tagespolitisch sind und die ein Gewicht
besitzen, das auch immanent sein wird für eine etwas längere Zeit.
Demnach ist auch «Hier» so ein Film. Seine Aktualität vor
ein oder zwei Jahren ist im Verhältnis zu heute nicht geschwunden.
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